Zölibat in der Diskussion

Immer wieder steht der pflichtmäßige Zölibat, d.h. die ehelose Lebensform, von katholischen Priestern in der Diskussion. Bereits die Würzburger Synode hat sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt, ist jedoch nicht zu einem Beschluss in dieser Frage gekommen.

Hier einige Auszüge aus der Gesamtausgabe der Synodenbeschlüsse zur Thematik:

 

Literatur: Ludwig Bertsch u.a. (Hgg.), Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland: offizielle Gesamtausgabe. 2 Bde. Freiburg u.a. 1976-1977. (Bd 1: Beschlüsse der Vollversammlung 1976; Bd 2: Ergänzungsband: Arbeitspapiere der Sachkommissionen 1977)

Beschluss: Dienste und Ämter

"Zur Suche nach neuen Zugangswegen zum Priestertum gehört auch die Prüfung der Frage, ob in Ehe und Beruf bewährte Männer zur Priesterweihe zugelassen werden sollen und ob die Zölibatsgesetzgebung grundsätzlich geändert werden soll. Es stehen sich in dieser Frage verschiedene Standpunkte gegenüber. Die einen verweisen vor allem auf die alarmierende Situation im Priesternachwuchs einerseits und auf die theologisch ausgebildeten Laien, die zum pastoralen Dienst in den Gemeinden bereit sind, andererseits; sie betonen aber auch die großen menschlichen Probleme, die der Zölibat für manche Priester in unserer gewandelten gesellschaftlichen Situation mit sich bringt. Sie verweisen darauf, daß nicht für jeden die Berufung zum priesterlichen Dienst mit der Berufung zur Lebensform der christlichen Ehelosigkeit verbunden sein muß und daß Gott seine Gaben verschieden verteilt. Andere betonen die besondere Angemessenheit der ehelosen Lebensform für den priesterlichen Dienst; sie bezweifeln, ob durch die Weihe von in Ehe und Beruf erprobten Männern bzw. durch die Freigabe der Zölibatsverpflichtung tatsächlich eine genügend große Zahl von Priestern für die absehbare Zukunft zu erwarten ist; sie verweisen darauf, daß die gegenwärtige Priesterkrise nicht allein und nicht zuerst eine Zölibatskrise ist, und sie befürchten, daß eine Änderung der Zölibatsgesetzgebung zum gegenwärtigen Zeitpunkt über kurz oder lang faktisch zu einer Zurückdrängung des ehelosen Priestertums führen würde.
Eine Entscheidung fällt nicht leicht, da die frei gewählte Ehelosigkeit für das Priestertum und für die Kirche insgesamt ohne Zweifel einen hohen Wert darstellt. Andererseits müssen, wenn die Heilssorge der Kirche schwerwiegend gefährdet ist, alle noch so wichtigen Gesichtspunkte, die nicht aus Gründen der verbindlichen Glaubenslehre (iure divino) notwendig sind, zurücktreten. Es wird deshalb allgemein anerkannt, daß außerordentliche pastorale Notsituationen die Weihe von in Ehe und Beruf bewährten Männern erfordern können. Die Gemeinsame Synode kann aufgrund des Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz vom 13. 4. 1972 in dieser Frage keine Entscheidung treffen.

Um so mehr sind die Bischöfe verpflichtet zu prüfen: Ist eine solche pastorale Notsituation heute und in absehbarer Zukunft in Deutschland gegeben? Welche konkreten Modelle lassen sich entwickeln, um einen geordneten Heilsdienst in den Gemeinden sicherzustellen? Sicher muß man sich vor der Illusion hüten, daß allein durch eine Änderung des Zölibatsgesetzes ein Ausweg aus den Schwierigkeiten gefunden werden könnte. Die Erfahrungen aus der Kirchengeschichte und in den anderen christlichen Kirchen machen eine solche folgenschwere Entscheidung keineswegs leichter. Darum bauen viele Mitglieder der Synode darauf, daß sich auch zukünftig genügend junge Männer für den zölibatären priesterlichen Dienst bereiterklären werden. Andererseits zwingt die gegenwärtige Situation die Verantwortlichen, das Problem des ehelosen Priestertums unter dem leitenden Gesichtspunkt der Heilssorge zu prüfen. In jedem Fall hält die Synode in der geistlichen Kraft der Hoffnung daran fest, daß der Herr der Kirche auch künftig eine hinreichende Zahl von Priestern für den Dienst in den Gemeinden berufen wird."

(Beschluss: Dienste und Ämter. 5.4.6, in: Gemeinsame Syndode I, 628f.)

 

Kommentar

"Als die Gemeinsame Synode der deutschen Bistümer einberufen wurde, stand die Kirche
nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland mitten in einer schweren Autoritätskrise, die

sich u. a. zu einer Krise im Verständnis des kirchlichen Amtes zuspitzte. Die Sachkommission VII („Ämter, Charismen Dienste“) stand deshalb vor einer ebenso schwierigen wie für das Gelingen der Synode wichtigen Aufgabe. Die Mehrzahl der Synodalen wurde verständlicher- und berechtigterweise vor allem von den das Leben der Gemeinden unmittelbar berührenden pastoralen Problemen bewegt. Die katastrophale Entwicklung im Priesternachwuchs und damit verbunden die Frage, wie der pastorale Dienst in den Gemeinden weitergehen soll, stellte sich immer deutlicher als eine Lebensfrage für die Zukunft der Kirche heraus. Viele fragten sich, ob eine Änderung der Zölibatsgesetzgebung ein Ausweg sein könnte."

(Prof. Dr. Walter Kasper, Die pastoralen Dienste in der Gemeinde. Einleitung, in: Gemeinsame Syndode I, 581.)

 

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"Aus dem theologischen Grundansatz ergeben sich also entscheidende Reformimpulse für
die pastorale Planung angesichts des Priestermangels (5.3) wie für die Nachwuchsförderung, Ausbildung und Fortbildung, die Eröffnung neuer Zugangswege zum priesterlichen Dienst (5.4; Votum 4; Anordnung 3-8; Empfehlung 4-7). Diese Reformvorschläge der Synode haben viele enttäuscht, weil die viel diskutierte Frage der Zölibatsgesetzgebung nicht angegangen werden konnte. In der Tat liegt hier ein entscheidender Mangel. Denn welche Antwort auch immer man auf diese Frage gibt, sie steht - nicht dogmatisch aber doch faktisch - in unlösbarem Zusammenhang mit dem jeweiligen Gesamtkonzept vom priesterlichen Dienst. Die durch die Deutsche Bischofskonferenz auferlegte Unentschiedenheit in dieser Frage gibt dem ganzen Papier etwas Unentschiedenes und Offenes. Zu hoffen ist freilich, daß der in den Grundsatzfragen erreichte neue Konsens einen günstigeren Ausgangspunkt für die weitere Behandlung auch dieser Frage erlaubt."

(Prof. Dr. Walter Kasper, Die pastoralen Dienste in der Gemeinde. Einleitung, in: Gemeinsame Syndode I, 589f.)

 

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III. Heiße Eisen 1. ZÖLIBAT
"Die Zölibatsfrage bzw. die Frage der Zulassung von in Ehe und Beruf bewährten Männern zur Priesterweihe (viri probati) stand bei der Arbeit der Sachkommissionen wie in den Diskussionen in der Vollversammlung von Anfang bis zum Ende mit zur Diskussion. Da
es sich hier jedoch um ein universalkirchliches Gesetz handelt, konnte die Synode von
vornherein keine eigentliche Entscheidung fällen, sondern höchstens ein entsprechendes

Votum an den Papst richten. Bei der Diskussion eines solchen Votums war von Anfang an eines nie umstritten: die Bedeutung des Zeichens der frei gewählten Ehelosigkeit für die Kirche und die innere Angemessenheit dieses Zeichens für den priesterlichen Dienst. Die Synode stellt eindeutig fest, daß „die frei gewählte Ehelosigkeit für das Priestertum und für die Kirche insgesamt ohne Zweifel einen hohen Wert darstellt“ (5.4.6). Die innere Begründung sieht die Synode nicht nur funktional im Freisein für den pastoralen Dienst, sondern in erster Linie personal in der durch die Nachfolge Jesu und in der durch den ungeteilten Dienst des Priesters für Jesus Christus, seinen Herrn, geschenkten Freiheit. Die Synode unterstreicht diese biblische Begründung außerdem durch die Erfahrung vieler Priester, wonach die frei gewählte Ehelosigkeit „trotz aller menschlichen Probleme“, die in verschiedener Weise jedem Stand eigen sind, „menschliche Erfüllung und menschliches Glück“ bedeuten kann (5.5.2). Auf der anderen Seite war es von Anfang an ebenso unumstritten, daß die frei gewählte Ehelosigkeit nicht notwendig mit dem priesterlichen Dienst verbunden ist, ja daß sie als Zulassungsbedingung dann zurückgestellt werden muß, „wenn die Heilssorge der Kirche schwerwiegend gefährdet ist“. Es wurde deshalb „allgemein anerkannt, daß außerordentliche pastorale Notsituationen die Weihe von in Ehe und Beruf bewährten Männern erfordern könne“ (5.4.6). Der Streit - soweit er innerhalb der Sachkommission geführt wurde - ging im wesentlichen um zwei Fragen: Ist eine solche pastorale Notsituation heute und in absehbarer Zukunft in Deutschland gegeben? Diskutiert wurden außerdem die menschlichen Probleme, die der Zölibat für viele Priester in unserer gewandelten gesellschaftlichen Situation mit sich bringt. Kaum eine Rolle spielten dagegen mehr ideologisch eingefärbte Argumente wie etwa, der Zölibat verstoße gegen die Menschenrechte oder er sei ein Ausdruck repressiver Herrschaftsstrukturen u. ä. Die Sachkommission diskutierte alle diese Fragen mit großer Verantwortung, ohne daß sich schon eine Lösung abzeichnete (vgl. SYNODE 1972/S 1,3f). Am 13.4.1972 machte jedoch die Deutsche Bischofskonferenz ihr Einverständnis mit dem Beratungsgegenstand „Dienst und Amt des Priesters in den Gemeinden“ davon abhängig, daß die Frage der Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum aus dem Beratüngsgegenstand ausgeklammert wird. Die Zentralkommission nahm diese Entscheidung am 1.5.1972 mit Überraschung und Bedauern zur Kenntnis. Sie verwies darauf, daß angenommen werden mußte, dieses Thema sei als eine der Prioritäten des Themenkreises VII mit der Billigung des Themenplanes auch von der Bischofskonferenz grundsätzlich bereits gebilligt. Auf dieser Basis beruhte auch der Verweis des Votums der Sachkommission IX zur Frage der viri probati an die Sachkommission VII (SYNODE 1972/S 2, 2f). Der Präsident der Synode erläuterte die Entscheidung der Bischofskonferenz vor der Vollversammlung dahingehend, daß die „viri probati“ kein Beratungsgegenstand im Sinne des Statuts, also keine Beschlußvorlage, sein können, daß diese Frage aber im Zusammenhang mit den anderen Beratungsgegenständen berührt werden kann und „wohl auch berührt werden muß“ (SYNODE 1972/S2,57f). (Prot. II, 371), und von Weihbischof Moser (Rottenburg), der um Vergebung bat, falls Der Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz löste in der Kommission und in der Vollversammlung der Synode eine Vertrauenskrise aus. Es drohte der vorübergehende Auszug von etwa einem Drittel der Synodalen. An die Erklärung des Präsidenten schloß sich am späten Nachmittag und frühen Abend des 13.5.1972 eine erregte Debatte an. Sie war keine Bischofsbeschimpfung, wie nachher gesagt wurde. Niemand bestritt die Letztverantwortung der Bischöfe. Die Kritik bezog sich auf den Stil ihrer Amtsführung. Die Interventionen von Bischof Stein (Trier), der von einem Lernprozeß der Bischöfe sprach die Bischöfe Fehler gemacht hätten (ebd. 376), schufen wieder eine Vertrauensgrundlage.
Innerhalb der Sachkommission wurden die entstandenen Unklarheiten und Mißverständnisse durch eine Erklärung von Bischof Tenhumberg (Münster) auf der Sitzung vom 12.-14.6.1972 ausgeräumt."

(Prof. Dr. Walter Kasper, Die pastoralen Dienste in der Gemeinde. Einleitung, in: Gemeinsame Syndode I, 590f.)