30 Jahre Würzburger Synode Teil 3

"Stehenbleiben ist Ungehorsam vor Gott" - Prälat Berthold Lutz über die Medienarbeit

Foto: WKS
Foto: WKS

Prälat Berthold Lutz: Programme der Vollversammlung verschicken, die Sitzordnung festlegen und die Sitzungsprotokolle aufarbeiten: „Während der Vollversammlungen arbeiteten wir unter ständigem Termindruck“, erinnert sich der 82-Jährige Prälat Berthold Lutz. Da die Ergebnisse einer Sitzung am nächsten Tag in den Fächern der Journalisten sein sollten, wurden die Nächte oft durchgearbeitet und Lutz hat „kaum ein Auge zugemacht“. Bis zu 400 Seiten Protokoll mussten aufbereitet werden; 400 Seiten „teils schwer verständlicher Text“.

WÜRZBURG. Protokolle, amtliche Mitteilungen, Akten aus dem Lokalbüro: Über sieben Meter Dokumente der gemeinsamen Synode der Bistümer in der BRD lagern heute in den Regalen des Würzburger Diözesanarchivs. Damals war das Medieninteresse an der Kirchenversammlung riesengroß. „130 Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen aus der gesamten Bundesrepublik berichteten über das Ereignis Synode“, erinnert sich Prälat Berthold Lutz, der damalige Leiter der Pressestelle der Synode.

 

Als im Mai 1970 die Entscheidung für Würzburg als Tagungsort für die Synode fiel, wurde sofort ein Lokalbüro eingerichtet. Die Fachstelle für katholische Bücherei- und Öffentlichkeitsarbeit (KBA) übernahm die Medienarbeit der Synode. Berthold Lutz hatte mit seinen Mitarbeitern nur ein knappes Dreivierteljahr Zeit, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. „Wir waren schon im Vorfeld der Synode in die große Befragung von 4,5 Millionen Katholiken eingespannt“, erzählt Lutz. Ohne zusätzliches Personal habe das 20-köpfige KBA-Team die logistische Herausforderung gemeistert, betont Lutz. Drucker, Setzer und Bibliothekarinnen seien „zweckentfremdet“ worden. „Technikmäßig waren wir noch in der Steinzeit“, führt der nun emeritierte Ordinariatsrat vor Augen. „Gott sei Dank hatten wir Dutzende von elektronischen Schreibmaschinen.“

Im Keller des KBA-Gebäudes stand die Druckmaschine, der Ausstellungsraum der Bücherei wurde zum Saal für Pressekonferenzen umfunktioniert und in der städtischen Galerie am Dom waren die Presseleute untergebracht. Der Aufwand für die Kommunikationstechnik war für damalige Verhältnisse enorm. „Wir haben für die Fernschreiber Telefonleitungen durch die Luft über die Straßen gespannt“, sagt Lutz. Jeden Morgen sei er diese Strecke mit dem Fahrrad abgefahren, um die Unversehrtheit zu prüfen. „Sie müssen sich vorstellen, es war die Zeit der Studentenunruhen und wir hatten Angst vor Sabotageakten“, erzählt Lutz.

 

Der Dom: rauchfreie Zone

 

Genauso stürmisch wie es teilweise auf den Straßen zuging, waren auch die Synodendebatten im Dom. Dort seien extreme Progressive mit Leuten, die Angst vor Veränderungen hatten, konfrontiert gewesen. „Wir wollten für die harten Auseinandersetzungen einen guten Rahmen schaffen“, betont der Prälat. Dazu habe es gehört, ein freundliches Arbeitsklima herzustellen. So wurden originelle Faltkalender, Andachtshefte und Arbeitsmappen mit viel Mühe erstellt. Der Faltkalender enthielt für die vier Tage einer Vollversammlung Abreißblätter mit den wichtigsten Daten zu den bevorstehenden Sitzungen und hilfreiche Informationen wie etwa zur Verkehrsführung. Zum guten Arbeitsklima gehörte auch ein freundlicher Umgangston – und der begann schon bei den Aschenbechern. „Wir wollten keine Rauchverbotsschilder im Dom aufstellen. Deshalb haben wir davor Plakate mit folgender Aufschrift platziert: Letzter Aschenbecher vor dem Dom“, sagt Lutz. Das habe die Leute überzeugt – der Dom blieb rauchfreie Zone.

 

Die Nächte durchgearbeitet

 

Programme der Vollversammlung verschicken, die Sitzordnung festlegen und die Sitzungsprotokolle aufarbeiten: „Während der Vollversammlungen arbeiteten wir unter ständigem Termindruck“, erinnert sich der 82-Jährige. Da die Ergebnisse einer Sitzung am nächsten Tag in den Fächern der Journalisten sein sollten, wurden die Nächte oft durchgearbeitet. Bis zu 400 Seiten Protokoll mussten aufbereitet werden; 400 Seiten „teils schwer verständlicher Text“. Die Sprache der Beschlüsse sei sehr nüchtern gewesen und musste erst für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Inhaltlich richtig, aber kurz und bündig sollten die Informationen für die Interessierten sein. „Zu diesen Zeiten bin ich kaum ins Bett gekommen“, denkt Lutz zurück. Doch allein das Zustandekommen der Synode sei den Stress wert gewesen. „Es war unsere Synode; wir waren froh und dankbar dafür“, beschreibt Lutz das „Wir-Erlebnis“.

 

Das Aus für „Publik“

 

Das schönste und zugleich schlimmste Erlebnis war für Lutz die Debatte um die Einstellung der Zeitschrift „Publik“. Die von den Bischöfen finanzierte Wochenzeitung erschien seit 1968. Viele erhofften sich durch sie eine stärkere Präsenz von kirchlichen Themen in der publizistischen Landschaft. Doch „Publik“ rechnete sich finanziell nicht, und die Bischöfe entschieden sich, die Zeitung einzustellen. Das Aus für „Publik“ erregte die Gemüter und 87 Synodale sprachen sich deswegen sogar für eine Sondersitzung der Synode aus. Bei der Zweiten Vollversammlung wurde am so genannten „Publik-Tag“, am 11. Mai 1972, zwar über das Thema diskutiert, aber nichts entschieden. Die Emotionen kochten so hoch, dass beispielsweise der Würzburger Student Bernd Spies schon im Dezember 1971 als Synodaler zurücktrat. „Die Kluft war teilweise so groß, dass die Synode zu scheitern drohte“, erinnert sich Lutz. Verdienst des „charismatischen“ Kardinals Julius Döpfner sei es gewesen, dass dennoch eine Einigung erzielt und die Synode fortgesetzt werden konnte. Solche spannenden Diskussionen wie am „Publik-Tag“ verfolgte Lutz über eine Lautsprecheranlage im Gebäude der KBA.

Dass das Medienecho auf die Würzburger Synode heute zahlreiche Ordner füllt, freut den Prälaten, weiß er doch um die Bedeutung einer guten Medienarbeit. „Was nicht in den Medien präsent ist, wird auch in der Realität nicht wahrgenommen“, ist er überzeugt. Für die „bahnbrechende Medienarbeit“ bedankte sich Döpfner eigens beim KBA-Team. „Der Kardinal hat am letzten Tag der Synode mit uns Kaffee getrunken. Das war eine schöne Genugtuung“, sagt Lutz.

 

Großartiges Zusammenspiel

 

Auch wenn heute manches überholt sei, findet er die Beschlüsse der Würzburger Synode immer noch „wunderbar“. Zu den Schlaglichtern zählt für Lutz der Gottesdienst-Text. „Er gibt eine Fülle gewachsener gottesdienstlicher Feiern zur Auswahl, freilich mit der Einzigartigkeit der Eucharistie“, betont Lutz. Diese Möglichkeiten müssten heute in den Gemeinden aufgegriffen werden – gerade in einer ländlich geprägten Diözese. Besonders beeindruckt hat ihn vor über 30 Jahren auch das „großartige Zusammenspiel zwischen Klerus und Laien“. Bei der Synode habe es eine selbverständliche Anerkennung der Laienarbeit in der Kirche gegeben, die heute durchaus weiterentwickelt werden könnte.

Trotz vieler Streitpunkte seien die Auseinandersetzungen stets konstruktiv gewesen. „Die Synode hat gezeigt, dass wir in der katholischen Kirche verschiedener Meinung sein können, ohne uns zu zerraufen“, sagt der ehemalige Leiter des Medienreferates. Gemeinsam zu streiten sei in der Kirche immer wichtig, um gesellschaftlichen Entwicklungen begegnen zu können. „Stehenbleiben ist Ungehorsam vor Gott. Es sollen keine neuen Wahrheiten erfunden werden; es geht um ein Mehr an Glauben, Hoffen und Lieben“, führt Lutz eindringlich vor Augen. Bedauerlich findet Lutz, dass die Texte der Würzburger Synode in Vergessenheit geraten sind. „Es ist zu wenig, wenn die Beschlüsse im Archiv verschwinden.“

 

Florian Kluger/Nadine Ortmanns

 

Ergebnisse: Was kam raus?

 

Veröffentlicht: Florian Kluger/Nadine Ortmanns, "Stehenbleiben ist Ungehorsam vor Gott", in: Würzburger katholisches Sonntagsblatt Nr. 46 vom 13. November 2005, 28f.